Thomas von Kempen - Leben


Thomas wurde 1379 oder 1380 als Sohn des Johannes Hemerken (Malleolus) und seiner Frau Gertrud, geb. Kuht (Keuth) in Kempen geboren. Sein Geburtshaus in unmittelbarer Nähe der Propsteikirche existiert nicht mehr, doch soll es an der Stelle des heutigen Hauses An St. Marien 11 gestanden haben. 1402, nach dem Tod von Johannes und Gertrud Hemerken, wurde es verkauft. Nachkommen der Familie Hemerken gab es in Kempen nicht.

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Bereits 13jährig (ca. 1393) ging Thomas wohl auf Anregung seines beträchtlich älteren Bruders Johannes Hemerken nach Deventer. Johannes hatte sich schon sehr früh einer neuen Frömmigkeitsbewegung angeschlossen, die von dem gelehrten Patriziersohn Gert Groote aus Deventer († 1384) begründet worden war und bald Devotio moderna genannt werden sollte. Johannes Hemerken lebte zunächst in einer freien Brüdergemeinschaft in Zwolle, wurde aber 1386 mit fünf weiteren Brüdern für die Besetzung des ersten neuzugründenden Augustinerchorherrenklosters Windesheim erwählt und legte 1387 seine Profess in Windesheim ab. Von dort aus entsandte man ihn in recht rascher Folge jeweils als Gründungsprior oder Rektor in niederländische Stifte, die sich der Windesheimer Kongregation anschlossen.

Thomas wurde in Deventer zunächst in das älteste, von Florens Radewijns († 1400) geleitete Haus der Brüder des gemeinsamen Lebens aufgenommen und besuchte die Kapitelschule St.Lebuinus. 1399 kam er nach Zwolle und trat dort als Laie in das neugegründete Regulierte Augustinerchorherrenstift St.Agnetenberg ein, dem seit 1398 als erster Prior sein Bruder Johannes vorstand. An der sehr renommierten Zwoller Stadtschule unter der Leitung von Johan Cele vervollständigte Thomas seine Ausbildung. Erst 1406 wurde Thomas eingekleidet, 1407 legte er seine Profess ab, 1413 oder 1414 wurde er zum Priester geweiht. Von 1425 bis 1430 und ab 1433 war er Subprior in St.Agnetenberg, ab 1448 zusätzlich Novizenmeister, ca. 1443 ein Jahr lang Prokurator.

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Um 1420 begann er geistliche Schriften zu verfassen, die in erster Linie für die Seelsorge und die Erziehung der Novizen im eigenen Kloster gedacht waren. Dabei handelte es sich keineswegs um Schulschriften im engeren Sinne, sondern um Traktate, Predigten, Briefe, Gebete, Lieder und Übungstexte, die bewirken sollten, ein religiöses Gegengewicht zu allzu intellektueller Ausbildung aufzubauen; es ging um geistliche Persönlichkeitsbildung. Am bekanntesten ist seine vierteilige Schrift De imitatione Christi (Von der Nachfolge Christi). Lange hat es Zweifel daran gegeben, ob bzw. inwieweit Thomas alle Textpartien selbst verfasst oder nur abgeschrieben hat. Heute gibt es keine ernsthaften Zweifel mehr daran, dass er die vier Büecher in der Gestalt, wie sie uns überliefert sind, selbst entwarf. Darüber hinaus hat er über 30 andere Werke geschrieben: In der Hauptsache aszetischer Schriften, die das Ziel hatten, insbesondere den Novizen des eigenen Ordens die Grundsätze geistlichen Lebens nahezubringen.

Wie viele Windesheimer war Thomas auch als Bücherschreiber tätig. Ab 1427 fertigte er z.B. eine von den Meistern des Otto von Moerdrecht kostbar ausgemalte Bibelhandschrift in fünf Bänden an (Darmstadt, Landes- und Hochschulbibliothek, Hs 237), zuvor bereits (1414 oder 1417) schrieb er ein Messbuch für das eigene Stift. Auch seine eigenen Werke liegen in eigenhändigen Abschriften vor (Brüssel, Königliche Bibliothek, Ms. 5855-61, beendet 1441), Löwen, Universitätsbibliothek, o.Sign., beendet 1450 [verbrannt], Brüssel, Königliche Bibliothek, Ms. 4585-87, beendet 1456).

Thomas blieb sein ganzes Leben in St. Agnetenberg. Nachweisbar ist neben einigen kurzen Abwesenheiten nur eine längere: 1429 zog er wegen des Schismas von Utrecht zusammen mit dem ganzen Konvent in das Kloster Lunenkerk bei Harlingen (Friesland) um; von dort aus ging er 1431 bis 1432 zu seinem schwer erkrankten Bruder nach Arnheim. Nach dessen Tod kehrte er wieder nach St. Agnetenberg zurück. Gestorben ist Thomas am 25. Juli 1471 in St.Agnetenberg.

1672 ließ Kurfürst Maximilian Heinrich von Köln seine Gebeine suchen und heben, sie ruhten seit 1897 in einem Marmordenkmal in der St.Michaelskirche in Zwolle; 2006 wurde der Leichnam umgebettet und ruht nun in der Basilika Unserer Lieben Frau in Zwolle.

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Thomas von Kempen - Schriften

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Thomas von Kempen - Wirkung

Die Imitatio Christi ist nicht das umfangreichste Werk des Kempeners, wurde aber sehr schnell, noch zu Lebzeiten des Thomas, zur Programmschrift der Devotio moderna schlechthin, da in ihr die Leitlinien dieser neuen Frömmigkeitsbewegung am eindringlichsten formuliert sind.

Ihre weltweite Wirkung verdankt die Imitatio Christi dann dem frühen Buchdruck (ab 1474). Die Beliebtheit des Büchleins als geistlicher Ratgeber hat bis heute nicht nachgelassen, es vergeht kein Jahr, in dem nicht irgendwo eine neue Imitatio-Ausgabe erscheint.

Die Imitatio Christi ist im Kontext einer Reformbewegung geschrieben worden und hat insbesondere auch in gesellschaftlichen Umbruchsituationen wie in persönlichen Neuorientierungen, auf der Suche nach Anregungen und Vorbildern, immer wieder Anklang gefunden: bei den Reformatoren und Jesuiten, bei den Pietisten und Jansenisten, in Erweckungsbewegungen und katholischen Erneuerungsbewegungen.

So zählt auch im 20. Jahrhundert die Imitatio Christi zumindest im geistlichen Bereich zu den meistgelesenen Büchern der Welt. Übersetzungen erreichen Auflagenziffern von mehreren hunderttausend Exemplaren, und es finden sich immer neue Anhängerschaften. Indische Sanskritlehrer etwa erkannten eine Verwandtschaft von hinduistischen Meditationsmethoden mit der spirituellen Ausstrahlung der Imitatio. Gerade in jüngerer Zeit hat deshalb das zunehmende Eindringen von Esoterik und östlicher Meditation in die christliche Frömmigkeitspraxis zu einer Neuentdeckung der Imitatio Christi geführt.

Thomas' Imitatio Christi ist ein Buch für Suchende; auf Grundfragen der geistlicher Lebensführung kann die "Nachfolge Christi" offenbar zeitlos gültige Lösungen anbieten.

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